Der fühlende Blick
"Wann ist das Bild fertig?"
"Wenn es seine größtmögliche Offenheit erlangt hat."
Paul Pollock (Atelier in Freiburg, 2014)
Als Kind fühlte ich den Unterschied zwischen dem, was ein Mensch sagt und dem, was in ihm lebt, auf eine Weise, die mich überforderte. Ich wusste nicht, wozu ich mich verhalten sollte. Heute weiß ich, dass dieser Missklang zwischen Innen und Außen zum Menschsein gehört und für mich unmittelbar hörbar, fühlbar, sichtbar ist; mein Weg ist beides miteinander in Einklang zu bringen. Berührbarkeit liegt dort.
Die Körpersprache ist mir auf meinem Weg Übermittlerin geworden. Aufmerksamkeit dem Körper schenken und erspüren, was hinter den Worten liegt - darin habe ich schließlich die Entsprechung für mein inneres Erleben finden können; Worte haben ihr Übergewicht verloren, der Körper ist zu meinem Kompass geworden. Ich bin Schülerin der Energie geworden.
Behutsam und Schritt für Schritt führe ich an das Innere heran, da ich weiß, wie sich Schmerz, Angst, Wut, Scham anfühlen und dass es sicherer Räume und Langsamkeit bedarf, um sich auf die eigene Tiefe der Gefühle einzulassen.
In dieser Begegnung erwacht die innewohnende Lebendigkeit zum Leben, eine, die wir verleugnet haben, weil einst kein Raum für sie da war.
Daraus erschließt sich mir die Bedeutung von Heilung als ein immerwährendes Ermessen, Vertiefen und Erweitern der eigenen inneren Räume: Ich komme mit meinen verschiedenen Klängen in Kontakt. Auf diese Weise verbinde ich mich Schicht für Schicht wieder mit meinem Ganzen. Das Ganze ist die offene, ursprüngliche Form; eine, die nicht richtet oder gerichtet wurde; eine, die das Potential unendlicher Möglichkeiten des ewig neugierigen Kindes birgt.
Dorthin führt mein Weg: Nach Innen, wo die Schönheit des wahrhaftigen Augenblicks wohnt – der nackte, pure Mensch - und von hier nach Außen in das berührbare, sich selbst tragende Sein. Ganzsein.
Mit Liebe!